Wie das Zwiegespräch einen Neuanfang für Beziehungen öffnet
„Beziehungslos in der Beziehung“ – das ist oft der Anfang vom Ende einer Partnerschaft. Celia Fatia hält dagegen: Mit der Selbsthilfemethode „Zwiegespräche“ lassen sich viele Probleme lösen und Beziehungen wiederbeleben.
Als Ulrike und Jens beim Frühstück den alten Blues “The thrill is gone” hörten, dachte jeder für sich: Genau so ist es. Auch die Zeile „You know you done me wrong, baby” hätte jeder genauso unterschrieben.
Das sei typisch, sagt Celia Fatia, die mit ihrem Mann Michael Lukas Moeller die Methode Zwiegespräche entwickelt hat. Jeder Partner sei oftmals insgeheim davon überzeugt, der Bessere zu sein und recht zu haben. „Paar-Rassismus“ nannte ihr Mann diese Art des Umgangs drastisch. Je länger die Beziehung, desto höher ist die Chance, dass jeder Partner etwas über den anderen behauptet.
Nach 21 Jahren Ehe waren Ulrike und Jens bereit, alles hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Jeder für sich. Vor einem halben Jahr war der jüngste Sohn ausgezogen und das nun leere Kinderzimmer stand wie ein Symbol für die innere Leere ihrer Beziehung vor ihnen.
Hatten sie sich vorher noch um ihre zwei Kinder gekümmert und ihre Beziehung im Alltag verwaltet, standen sie nach dem Auszug des Jüngsten nun als Paar allein und sprachlos da. Man hatte sich nichts Wesentliches mehr zu sagen. Das war das Fazit eines Prozesses, der irgendwann schleichend begonnen hatte. Nun fühlte sich das Paar am Ende. Noch waren die Kinder nicht eingeweiht, aber die Idee für den Hausverkauf und eine Trennung reifte wohl bei beiden.
Eine gute Freundin hatte Ulrike von den Zwiegesprächen erzählt, weil sie vor vielen Jahren ihre eigene Beziehung damit gerettet hatte. Ulrike war nicht nur skeptisch, ob Reden in ihrer Situation noch helfen würde, sondern ob sich Jens darauf einlassen könne.
Im Grunde waren die Regeln einfach …
- Feste Zeit: am besten wöchentlich 90 Minuten
- Fester Ablauf: das Paar sitzt sich Gegenüber, alle Störungen durch Computer, Fernsehen, Hintergrundmusik, Telefon sind ausgeschaltet
- Fester Wechsel: die Partner-Monologe dauern gleich lang, 15 Minuten sind ein guter Richtwert
- Festes Thema: Jeder erzählt, was ihn am meisten bewegt
Jens war skeptisch und schlug deswegen eine Testphase von vier Wochen vor, die Ulrike auf eine Laufzeit von zwei Monaten verhandelte. Sie nannten es ihr Forschungs-Experiment.
Feste Zeiten und keine Störungen
Ulrike und Jens hatten sich donnerstags für ihre Zwiegespräche ausgesucht. Das war ein Termin, auf den beide sich für den Zeitraum von zwei Monaten einigen konnten, der immer für 90 Minuten am Abend reserviert sein sollte.
Jeder spricht nur über sich selbst
Während die Terminfindung und auch die Einhaltung reibungslos funktionierten, fiel es dem Paar schwer, einfach einander zuzuhören und nicht zu kommentieren. 90 Minuten waren zudem eine lange Zeit, in der sie sich manches Mal ertappten, in Alltagsgespräche abzugleiten. Manchmal entstand anfangs eine lange Stille, die es auszuhalten galt.
„Wie soll ich anfangen? Was soll ich sagen?“ – Das sind Situationen, wie Celia Fatia betont, die in der Anfangsphase oft, aber auch später noch passieren können. Manchmal helfen hier kleine Impulse. Und manchmal ist es hilfreich, in der ersten Zeit einen Coach an der Seite zu haben.
„Es ist wie beim Sport. Sie beherrschen nicht sofort alle Abläufe, Bewegungen und Regeln perfekt. Sie trainieren, Sie lernen. Natürlich ist diese Haltung gegenüber dem Sprechen ungewohnt, weil wir ja meinen, alles schon zu können. Doch das Zwiegespräch ist ein bisschen wie ein Dialekt. Man versteht schon einiges, aber eben noch nicht alles“, sagt Celia Fatia, die Paare regelmäßig begleitet.
Gerade weil beide Partner skeptisch waren und auch einige Probleme mit dem Dialog-Format hatten, war das Coaching am Anfang ein sinnvoller Weg.
Selbstporträts vor dem anderen malen
„Die ungewohnte Art des gegenseitigen Monologs eröffnet aber auch Möglichkeiten: Als bloße Zuhörerin konnte ich mich auf Jens konzentrieren. Ich musste mir keine Antworten oder Rechtfertigungen zurechtlegen“, sagt Ulrike. Es geht erst einmal nur darum, dem Partner zuzuhören und die andere Sicht zu verstehen. Und das ist schon eine ganze Menge. Noch ein interessanter Effekt entsteht: Beim Miteinanderreden nimmt man nicht nur Kontakt zum Partner auf, sondern auch zu sich selbst.
Celia Fatia schlägt vor, dass ein Monolog nicht länger als 15 Minuten dauern solle, bevor gewechselt wird. Dabei erzählt jeder Partner, was ihn oder sie gerade am meisten bewegt. Wenn die Regel lautet, bei sich zu bleiben, dann heißt das natürlich nicht, nur über sich selbst zu reden. Gemeint ist, die eigenen Empfindungen im Blick auf den Partner ohne Vorwürfe und als Ich-Botschaft zu formulieren. Aus dem wertenden, vorwurfsvollen „Du hast …“ wird z.B. ein „Ich habe Dich empfunden als …“.
Nach zwei Monaten verlängerte das Paar die Laufzeit ihres Experiments schließlich auf unbestimmte Zeit. Weitere vier Monate später waren Ulrike und Jens nicht mehr so sicher, dass sie sich zwangsläufig trennen müssten. Natürlich war nach all den Jahren noch viel zu klären, wie es weitergehen könnte. Schließlich stand, nach dem die Kinder ihre eigenen Wege gegangen waren, ein neuer Lebensabschnitt ins Haus. Immerhin, das Paar war wieder in Kontakt miteinander. Sie konnten einander zuhören und bei allen Unterschieden wertschätzen.
Im Rückblick erkannten sie wie sich ihre Gespräche und die Gespräche sie verändert hatten. Durch die Zwiegespräche war wieder mehr Nähe entstanden. Das Paar hatte wieder stärker das Gefühl, mehr voneinander zu wissen. Das Beste aber war, dass sie sich in ihrer Unterschiedlichkeit vom jeweils anderen akzeptiert fühlten.
Und dieses Gefühl war nicht weit weg von der Antwort Yoko Onos auf die Frage der Wochenzeitung „Die Zeit“, was für sie Liebe bedeute: „Man fühlt sich wohl, ohne sich darum bemühen zu müssen. … Liebe heißt, sich nicht verstellen zu müssen.“
„Der tiefste Sinn unseres Handelns ist, Zuwendung zu erfahren und gelingende Beziehungen zu anderen zu erhalten“, sagt Celia Fatia. Das Zwiegespräch ist dafür ein guter Weg.