Permakultur: Vielfalt und Nachhaltigkeit als Prinzip

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Wenn die agrarindustrielle Landwirtschaft langfristig unwirtschaftlich ist und sich durch konstante Bodenausbeutung die Grundlage des Wirtschaftens entzieht, was ist dann die Lösung?

Als Declan Kennedy 2003 rund 2,8 Hektar Wald sowie 5,2 Hektar Ackerland im niedersächsischen Landkreis Nienburg erwarb, fand er einen Boden vor, der typisch für die vorherrschende agrarindustrielle Nutzung ist. Eine weite, offene Fläche wurde bis in den Juli hinein von sehr kalten und stetigen Winden aus Südwesten heimgesucht. Allein die klimatischen Bedingungen hatten den bis zu 15 Meter tiefen Sandboden weitgehend ausgemergelt. Die schlechten Bodenwerte (18 – 25 Punkte) wurden noch getoppt von Pestiziden in Boden und Grundwasser. Hier nun sollte Permakultur mittelfristig helfen, eine nachhaltige Landwirtschaft zu etablieren.

Von der Landwirtschaft zur „Theorie von allem“

Permakultur ist eine Systemtheorie, die in den 1970er Jahren zunächst in Australien auf die Landwirtschaft angewendet wurde. Als Gründerväter gelten Bill Mollison und David Holmgren, die bei ihrer Konzeption auf bestehende nachhaltige, traditionelle Anbaumethoden in unterschiedlichen Kulturen zurückgreifen konnten. Das Potenzial des Permakultur-Konzeptes wurde 1981 mit der Verleihung des „Alternativen Nobelpreises“ an Bill Mollison betont.

Im Vergleich zur hierzulande bekannten ökologischen Landwirtschaft geht das Konzept der Permakultur mittlerweile über den rein landwirtschaftlichen Bezug weit hinaus. Inzwischen bindet es auch Raumplanung und soziale Organisationen in ein ganzheitliches Gesellschaftskonzept ein. Denn durch die vielfältigen praktischen Erfahrungen haben die beiden Autoren erkannt, dass nachhaltiges Wirtschaften soziale Aspekte einbeziehen muss. Als Handlungsmaximen gelten

  • Earth Care – Sorge für die Erde
  • People Care – Sorge für die Menschen
  • Fair Share – Begrenze Konsum und Wachstum, verteile Überschüsse

Leitsätze

Aus der Ethik wiederum haben die beiden Autoren vier wesentliche Leitsätze entwickelt.

  • Langfristigkeit statt Kurzfristigkeit
  • Vielfalt statt Monokultur
  • Nachhaltig optimieren statt maximieren
  • Kooperation statt Konkurrenz

Denn längst ist klar: Eine Landwirtschaft, die auf Kunstdünger, Pestizide, einen hohen Anteil an Fleischwirtschaft und Monokulturen setzt, ist langfristig unwirtschaftlich. Schon jetzt benötigt die herrschende industrialisierte Landwirtschaft zehn Energieeinheiten Input, um eine Energieeinheit für den Verbrauch zu erzeugen. Langfristig hinterlässt diese Landwirtschaft ausgemergelte Böden.

Frühere Agrarsysteme konnten dagegen aus dem Input von zehn Einheiten noch ein Vielfaches an Energieeinheiten erzeugen. Selbst der sogenannte primitive Ackerbau stellt mit einem Verhältnis von 1:50 die moderne Landwirtschaft in den Schatten.

2 x 12 Gestaltungsprinzipien

In den 1970er Jahren entwickelte Bill Mollison zwölf Gestaltungsprinzipien, die sich an Ökosystemforschung und Biokybernetik orientierten. So postulierte er zum Beispiel, dass jede Funktion eines Systems von mehreren Elementen erzeugt werden solle. Auf der anderen Seite sollte jedes Element eines Systems mehrere Funktionen übernehmen können. – Allein diese zwei Prinzipien sind von zentraler Bedeutung, da sie Systeme widerstandsfähig machen. In der Konsequenz heißt das nämlich, dass beim Ausfall eines Elements andere Elemente die Funktionen übernehmen oder teilweise ersetzen können.

25 Jahre später formulierte David Holmgren neue zwölf Prinzipien, die die vormaligen Prinzipien nicht ersetzen, sondern vielmehr in handlungsorientierte, pragmatische Leitsätze überführen. Die Schwerpunkte haben sich zum Teil etwas verschoben oder konkretisiert. So ist aus dem alten Leitsatz des Recyclings unter dem Postulat „Produce No Waste“ eine konkrete Verwertungskaskade aus refuse, reduce, reuse, repair, recycle (vermeiden, reduzieren, wiederverwenden, reparieren, recyclen) geworden.

Konkrete Raumplanung - Zonierungen

Die Planung von Nutzräumen geschieht in der Permakultur in sechs Zonen, wobei die Zone 0 den Wohnbereich und idealerweise Zone 5 die Ruhezone für die Natur bezeichnet, in der keine wirtschaftliche Nutzung erfolgt. Dazwischen liegen vier Nutzzonen mit unterschiedlichem Pflegeaufwand.

Faktisch bestimmen die konkrete Geografie und das jeweilige Klima, wie ein Nutzungsraum zoniert und geplant werden kann. Das heißt, es gibt kein Permakultur-Schema, das überall gleichermaßen anzuwenden wäre. Vielmehr sieht eine Permakultur-Planung in der karstreichen Schwäbischen Alb komplett anders aus als an der windreichen Nordseeküste.

Die natürlichen Gegebenheiten wie Berge, Seen, Flüsse bestimmen das Makroklima und damit auch die Makroplanung. In der mittleren Ebene können jedoch zum Beispiel durch gezielte Anpflanzung von Bäumen im Rücken von Feldern Wärme- und Windschutzfunktionen erzielt und diese im Mikrobereich durch Erdwälle noch verstärkt werden. Gleichzeitig können unterschiedliche Baumarten allein durch Wachstumsgeschwindigkeit und Höhe andere Pflanzen hindern oder fördern.

Beispiel für eine Permakultur-Planung in der Zone 0

In unmittelbarer Nähe des Wohnhauses wird ein Teich so angelegt, dass er insbesondere im Winter die tiefer stehende Sonne in die Fenster reflektieren kann. Gleichzeitig kann ein Teich das Mikroklima am Haus, zum Beispiel für eine Kräuterspirale, im Sommer verbessern.

Der Teich erfüllt in der Permakultur jedoch mehr als nur eine Funktion. So enthält er essbare Pflanzen und solche, die das Wasser reinigen. Laufenten und unterschiedliche Fischarten bevölkern den Teich, wobei Raubfische nicht gefüttert werden, sondern sich von kleineren Fischen ernähren. Diese wiederum mögen als Pflanzen- oder Allesfresser auch Ausscheidungen von Enten nutzen. Die Enten wiederum fressen Kaulquappen, Laich, kleinere Fische, Frösche, Würmer und Schnecken im Wasser und suchen sich weitere Nahrung an Land.

Ziel der Gestaltung ist ein möglichst geringer Pflegeaufwand. Gleichzeitig müssen die Menschen im Sinne der Nachhaltigkeit darauf achten, nur so viele Pflanzen und Fische zu entnehmen, dass das Gleichgewicht im Wesentlichen erhalten bleibt.

Dieses Beispiel zeigt, wie grundsätzlich ein natürliches System (Teich) mehrere Aufgaben übernimmt: Nahrungsproduktion und die Verbesserung der Energieeffizienz des Wohnhauses. Gleichzeitig dienen unterschiedliche Elemente (Fische, Pflanzen) einer Funktion (Nahrung), wobei unterschiedliche Pflanzen wiederum verschiedene Aufgaben übernehmen (Wasserreinigung, Nahrung).

Nutzungsarten: von einfach bis komplex

Die Nutzung einzelner Pflanzenarten teilen Holmgren und Mollison in sechs unterschiedliche Verwendungsstufen ein. Dabei steht zum Beispiel die dritte Stufe für „einfache Ernte“ und die sechste Stufe für eine Verarbeitung mit aufwendigeren Hilfsmitteln wie Destillation. Bei der Auswahl der auszuwählenden Pflanzen spielen neben dem jeweiligen Klima eben auch die Funktionen eine Rolle, die sie im Gesamtsystem übernehmen können. So kann Löwenzahn zunächst als Bienenweide, später als Salatzutat oder zu medizinischen Zwecken verwendet werden. Frühzeitig geerntet, dienen die Blüten zur Farbstofferzeugung. Nimmt die Zahl der Löwenzahnpflanzen überhand, so können die Wurzelstöcke einzelner Pflanzen entfernt und nach der Röstung als Kaffee getrunken werden.

Bei anderen Pflanzen, wie Möhren, kann das Grün direkt bei der Ernte als Mulch an Ort und Stelle liegen gelassen werden, wenn es keiner anderen Nutzung zugeführt wird. Ziel ist es im Sinne einer Kreislaufwirtschaft, alles einer sinnvollen Nutzung zuzuführen.

Permakultur – eine neue Art der Intensivlandwirtschaft

Anders als die monokulturell geprägte Landwirtschaft orientiert sich die Permakultur am Vorbild der Natur. Denn dort wachsen von sich aus Pflanzen zusammen, die harmonische Gemeinschaften bilden. So wird bei der Pflanzung verschiedener Gewächse immer darauf geachtet, dass sie sich sowohl ober- als auch unterirdisch ergänzen. Die unterschiedlichen Pflanzen sollen dem Boden unterschiedliche Nährstoffe entnehmen und aus ihrem Stoffwechsel ebenso verschiedene Substanzen an den Boden abgeben. Beispielsweise halten Knoblauch und Zwiebel zwischen Erdbeeren Schädlinge weitgehend fern.

Ein steiniger Weg

Obwohl Permakultur seit den 1980er Jahren auch in Deutschland durchaus als System eine gewisse Bekanntheit erreicht hat, ist die Zahl der umgesetzten landwirtschaftlichen Projekte bislang gering. Im Vergleich zur solidarischen Landwirtschaft, die Anfang 2019 bei rund 200 Initiativen liegt und stetig wächst, ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit knapp 60 bisher überschaubar geblieben. Grund dafür ist sicherlich die Komplexität der Materie und die Zeit, die vergeht, bis die jeweiligen Ökosysteme auch ökonomisch nutzbar sind. Denn was im heimischen Garten oder auf dem Balkon als Prinzip funktioniert, ist in der Fläche wesentlich aufwendiger zu gestalten.

Davon kann auch Declan Kennedy ein Lied singen. Er dürfte einer der ersten gewesen sein, die sich in Deutschland mit Permakultur beschäftigten. Mit seiner Frau Margret hatte er 1983 das Permakultur-Institut gegründet und schrieb auch das Vorwort der deutschen Ausgabe von Bill Mollisons und David Holmgrens Permakultur-Buch.

Er wusste also, auf was er sich 2003 in Steyerberg einließ, als er die Agrarbrache kaufte. Denn die nächsten fünf Jahre verbrachte die Permakultur-Initiative um den umtriebigen Architektur-Professor Kennedy allein mit Bodenverbesserung. So wurde der erodierte Sandboden vorwiegend mit Terra Preta, Gründüngung und Flächenkompostierung rekultiviert. Nun erst konnte an eine Ertragslandwirtschaft gedacht und mit der räumlichen Umgestaltung nach Permakultur-Prinzipien begonnen werden.

Seit 2008 wurde das Gelände nun mit verschiedenen essbaren und nicht essbaren Bäumen und Sträuchern bepflanzt, Kräuterhügel aufgeschüttet, Wälle zum Windschutz angelegt und viele weitere landschaftliche Gestaltungsmaßnahmen ergriffen, mit dem Ziel den Boden dauerhaft und nachhaltig nutzbar zu halten.

Seit 2009 wird ein Teil des Geländes nach Prinzipien der Permakultur und des ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Aus der Agarbrache ist wieder ein lebendiges Stück Erde geworden.


Weiterführende Informationen

Einführung, Bücher, Videos

Hintergründe, Projekte

Permakultur Institut e.V. und Permakultur Akademie


Hier finden Sie LIW-Seminare, in denen „Permakultur“ ein Thema ist